- Zimmerbrand - Durchzündung - 0 Verletzte
(bl) Simbach am Inn (Bayern). Im
Verlauf eines Zimmerbrandes kam es zu einer Durchzündung. Mit viel Glück
blieben die Feuerwehrmänner unverletzt. Dennoch zogen die
Verantwortlichen Lehren aus dem Einsatz, Sie verbesserten Ausbildung,
Taktik und Technik. In der
quer zur Straße verlaufenden Brandwohnung im Dachgeschoss
brannte das hinterste Zimmer. Die Flammen schlugen beim Eintreffen
des ersten Einsatzfahrzeuges bereits meterhoch aus dem Fenster,
welches direkt über dem Dach der Garage lag. Die Brandwohnung
war über eine schmale Treppe vom 1. Obergeschoss erreichbar.
Diese wurde vom Angriffstrupp als Angriffsweg genutzt. Aufgrund der
Rauchentwicklung und einer Vielzahl an gestapelten Kartons sowie der
nicht abzugrenzenden Bauabschnitte war die genaue Raumaufteilung der
Wohnung weder von Innen noch von Außen erkennbar. Der
erste Angriffstrupp nahm eine C-Leitung bis ins 1. Obergeschoss vor,
konnte jedoch auf Grund der großen Hitze kaum in Richtung
Brandraum vordringen. Daher erfolgte parallel ein Außenangriff
über das Garagendach. Aufgrund der ablaufenden Einsatzzeit
übernahm der zweite Angriffstrupp die Leitung im Gebäudeinneren. Der
Abschnittsführer Innenangriff, welcher die Brandbekämpfung
vom Treppenaufgang im 1. OG aus steuerte, ermahnte den zweiten Trupp
wegen der Anfangs starken Hitzeentwicklung im Brandraum nicht in
Richtung Brandraum vorzugehen, sondern die Brandbekämpfung
möglichst von der Treppe aus durchzuführen. Bei Ankunft im
Dachgeschoss war die Sicht für die beiden Geräteträger
aufgrund der starken Rauchentwicklung sehr schlecht. Ein offenes
Feuer war nicht erkennbar, ebenso war keine sonderliche Hitze im
Brandrauch zu spüren. Ein
kriechendes Arbeiten war auf Grund am Boden liegender Gegenstände
nicht möglich, vermutlich wurden diese durch den ersten Trupp
umgeworfen. Diese teilweise zerbrochenen Gegenstände
verursachten, bedingt durch die einlagigen Hosen ohne Kniepolster,
Schmerzen an den Knien. So konnte sich der Trupp nur in gebückter
Form im Bereich des Treppenabgangs aufhalten und von dort aus die
Situation beobachten. Eine gezielte Brandrauchkühlung erfolgte
zu dieser Zeit ebenso wenig wie eine direkte Brandbekämpfung, da
weder eine starke Hitze noch Flammen erkennbar waren. Der
Trupp bemerkte plötzlich ein nicht genau lokalisierbares, lautes
Knistern. Wenig später zündete das gesamte Dachgeschoss
durch – für Sekundenbruchteile standen die gebückt
stehenden Männer unter Vollbeflammung. Der Trupp ging
unverzüglich zu Boden und zog sich anschließend rasch ins
Treppenhaus zurück, von wo aus er die Decke kühlte. Wenig
später erfolgte der Rückzugsbefehl aus dem Dachgeschoss.
Erkannte Probleme
Kommunikationsdefizite in der Einsatzleitung
Bedingt durch einen anfänglichen Mangel an freien Führungskräften an der Einsatzstelle (Einsatzleiter war der Gruppenführer des LF 16, der wegen Führungskräftemangel gleichzeitig auch Zugführer des ersten Löschzuges war) sowie der dynamischen Lage (Menschenrettung aus brennendem Gebäude, Evakuierung aus dem Nachbargebäude, defekte Drehleiter etc.) entwickelte der Einsatzverlauf eine gewisse Eigendynamik. Eine klare Führungsstruktur mit Einsatzabschnitten konnte daher Anfangs noch nicht aufgebaut werden, ein Versuch zu einem späteren Zeitpunkt scheiterte anfangs auf Grund der bis dahin bereits fortgeschrittenen Ereignisse. Dadurch wurde der Einsatzleiter permanent mit unzähligen Meldungen überlastet, da die Ebene der Abschnittsleiter großteils fehlte. So erfolgte die Reaktion auf die Meldung der bevorstehenden Durchzündung viel zu spät. Diese kündigte sich nämlich bereits Minuten vorher an, da aus einem Fenster die typischen Anzeichen zu sehen waren (stoßweise austretender schwarzer Rauch). Der Rückzugsbefehl für den Atemschutztrupp im Innenangriff erfolgte daher nicht mehr rechtzeitig.
Gleichzeitiger Innen- und Außenangriff
Auf Grund der Eigendynamik erfolgte ein gleichzeitiger Innenangriff durch Atemschutzgeräteträger wie auch ein Außenangriff über das Garagendach. Zudem wurde die Dachhaut im Bereich des Treppenhauses sowie im Bereich der nicht erkannten Räume (siehe unten) von außen mittels Motorsägen geöffnet. Auf dem Dach arbeiteten die Einsatzkräfte teilweise ohne Atemschutz, ohne Schnittschutzkleidung, ohne Absturzsicherung und zeitweise sogar ohne gesicherten Rückzugsweg. Gleichzeitig erfolgte eine Druckbelüftung von der Eingangstür über das Treppenhaus in Richtung Dachgeschoss. Diese gleichzeitig durchgeführten Maßnahmen sorgten zwangsläufig für ein nicht kalkulierbares Risiko.
Wohnungsaufteilung war völlig unbekannt
Die genaue Aufteilung der Wohnung war wegen der starken Rauchentwicklung sowie der zahlloser Kartons weder von außen noch von innen genau ersichtlich. So wurden z. B. zwei Räume, die schräg gegenüber vom Brandraum lagen als solche nicht erkannt, da die Tür zu diesen Räumen mit Kartons verstellt war. Im Nachhinein kann vermutet werden, dass sich das Feuer vom Brandraum aus unter den Schindeln, durch die Dachpappe, über den Flur hinweg in eines der beiden Zimmer fortpflanzte und sich dort die Durchzündung (geschlossene Fenster und Türen) aufbaute. Vermutlich begünstigte die Öffnung der Dachhaut in diesem Bereich schließlich die Durchzündung, welche spätestens beim durchbrennen der Dachhaut so wie so erfolgt wäre.
Schäden an der getragenen Schutzkleidung
Die beiden Feuerwehrschutzhelme (MSA Gallet) sowie die beiden Atemschutzmasken sind durch die Beflammung unbrauchbar geworden. Vor allem die Visiere der Helme und Masken hielten der Hitze nicht stand. Die Visiere der Helme hatten sich verzogen und die Visiere der Masken wurden milchig trüb. Die beiden Feuerschutzhauben (einlagig, Hersteller unbekannt) verfärbten sich leicht rötlich. Die restliche PSA trug keine äußerlich erkennbaren Schäden davon.
Kommunikationsprobleme auf dem Einsatzstellenfunkkanal
Ebenso zeigte der Einsatz deutliche Defizite in der Abwicklung des Einsatzstellenfunkverkehrs im 2m-Band. Ein direktes Ansprechen der gewünschten Gegensprechstelle gestaltete sich nämlich meist schwierig, weil jede Feuerwehr eigene Funkrufnamen verwendete. Es gab Funkrufnamen im Klartext, fahrzeugbezogen oder einfach durchnummeriert. Auch eine Funkkanaltrennung war bis dato noch nicht durchgängig möglich. Neben dem normalen 2m-Betriebskanal 55 WU stand lediglich der Kanal 25 WU zur Verfügung, der in weiten Teilen des Landkreises als eigener „Atemschutzkanal“ verwendet wurde. So geschah es auch bei diesem Einsatz, dass ein Funkgerät über längere Zeit aufgetastet blieb und damit die Kommunikation zum Erliegen kam.
Konsequenzen
Mitte 2006 erfolgte ein Wechsel in der Wehrführung der Simbacher Feuerwehr. Bereits 2006, also noch vor diesem Atemschutzzwischenfall, wurden von der neuen Wehrführung viele Maßnahmen zum besseren Schutz der Atemschutzgeräteträger eingeleitet. Die meisten Maßnahmen waren jedoch zum Unfallzeitpunkt noch nicht abgeschlossen (siehe unten).
Kurzfristige Konsequenzen
Im Rahmen einer Einsatznachbesprechung wurde der Einsatz mit den beteiligten Einsatzkräften der eigenen Wehr aufgearbeitet, besprochen und die Ergebnisse dokumentiert. Insbesondere wurde dabei festgestellt, dass…
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… es immer notwendig ist eine klare Führungshierarchie zu schaffen, egal ob es sich um einen Klein- oder Großeinsatz handelt.
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… dafür jedoch auch ausreichend viele und frei verfügbare Führungskräfte vorhanden sein müssen, die dann diese Aufgaben übernehmen.
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… ein gemeinsamer Innen- und Außenangriff unkalkulierbare Risiken birgt und daher künftig unterbleiben muss.
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… vollständige und richtig getragene Schutzkleidung lebenswichtig ist.
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… Ausbildungen in Brandsimulationsanlagen in jedem Fall notwendig und sinnvoll sind.
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… kein noch so wertvolles Gebäude die Gefährdung von Einsatzkräften rechtfertigt.
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… geschönte Einsatznachbesprechungen der Vergangenheit angehören und Fehler (auch und gerade die der Einsatzleitung) aufgezeigt und diskutiert werden müssen.
Bisher waren die Atemschutzgeräteträger standardmäßig nur mit Lederhandschuhen ausgestattet, abgesehen von vereinzelt privat beschafften textilen Feuerwehrhandschuhen. Daher testete die Feuerwehr Simbach a. Inn seit Oktober 2006, also bereits vor dem beschriebenen Einsatz. sieben ausgewählte Feuerwehrschutzhandschuhe aus textilem Gewebe und Elchleder verschiedener Hersteller. Die Trageversuche (in Anlehnung an die vfdb-Richtlinie 0805) wurden im 2. Quartal 2007 abgeschlossen, ausgewertet und anschließend die noch fehlende Anzahl an Feuerwehrschutzhandschuhen beschafft. Jeder Atemschutzgeräteträger ist nun mit zugelassenen, textilen Feuerwehrschutzhandschuhen ausgestattet. Die beiden verunglückten Kameraden waren zum Unfallzeitpunkt bereits mit privat beschafften Feuerwehrschutzhandschuhen ausgestattet (Seiz Fire Star Premium und Seiz Fire Fighter Premium, beide nach DIN EN 659:2003-10).
Bisher waren die Atemschutzgeräteträger nur mit einlagigen Latzhosen des Schutzanzugs "Bayern 2000" ausgestattet. Auch dieser Missstand sollte so schnell wie möglich beseitigt werden. Daher wurde bereits im November/Dezember 2006 der deutsche Markt nach Anbietern für mehrlagige Hosen nach DIN EN 469:2005 bzw. HuPF Teil 4B gesichtet und Angebote eingeholt. Von ausgewählten Herstellern wurden Testhosen angefordert und gesichtet. Seit dem 2. Quartal 2007 waren bis Ende 2007 zwei Testhosen im Einsatz. Die Beschaffung von geeigneten Überhosen konnte schließlich Ende 2008 abgeschlossen werden.
Die bisher verwendeten einlagigen Feuerschutzhauben (Hersteller unbekannt) wurden durch mehrlagige Feuerschutzhauben nach EN 13911:2004 ersetzt. Die Bestellung erfolgte ebenfalls bereits im Dezember 2006, nachdem auch hierfür die Notwendigkeit erkannt wurde. Die Lieferung der mehrlagigen Feuerschutzhauben erfolgte jedoch auf Grund zweimaliger Reklamationen erst im April 2007, so dass zum Unfallzeitpunkt lediglich die alten einlagigen Feuerschutzhauben getragen wurden.
Eine Ausbildung der Atemschutzgeräteträger in einem Brandsimulationscontainer bzw. beim Lehrgang "Verhaltenstraining im Brandfall" (Brandhaus) an der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg wurde bei der Feuerwehr Simbach a. Inn bis zum Wechsel der Wehrführung noch nie durchgeführt. Nach dem Wechsel der Wehrführung haben noch in 2006 zwei Atemschutzgerätetrager den Lehrgang an der SFS Würzburg besucht, drei weitere Kameraden wurden ebenfalls 2006 für einen Lehrgang in 2007 angemeldet. Für 2007 bzw. 2008 waren zudem Ausbildungen im Brandsimulationscontainer bei der Feuerwehr Burghausen vorgesehen.
Auf Grund des Einsatzes am 15.01.07 mussten Überlegung für ein Sicherheitstruppkonzept in Angriff genommen werden, da der Einsatz deutliche Defizite auf diesem Gebiet aufzeigte. So stand bei dem betreffenden Einsatz zwar immer ein Sicherheitstrupp bereit, dieser war jedoch weder mit den heute gängigen Aufgaben eines Sicherheitstrupps vertraut, noch hatte dieser irgendeine Ausstattung (Schlauchmaterial, Brechwerkzeug etc.) vorbereitet. Der Einsatz des Sicherheitstrupps wäre daher erst mit mehreren Minuten Verspätung möglich gewesen. Daher formierte sich in Absprache mit den beiden anderen Atemschutzausbildungsstellen im Landkreis Rottal-Inn (Feuerwehr Eggenfelden und Feuerwehr Pfarrkirchen) innerhalb der Simbacher Feuerwehr eine Projektgruppe zu diesem Thema. Diese arbeiten ein tragbares Sicherheitstruppkonzept aus, welches dann den beiden Stadtfeuerwehren vorgestellt, diskutiert und schließlich künftig einheitlich auf Landkreisebene ausgebildet werden soll.
Ebenso mussten Überlegungen getroffen werden, um ein landkreisweites Funkrufnamenkonzept zu entwickeln damit die Funkrufnamenvergabe einer gewissen Logik folgt die überall einheitlich und einfach zu merken ist. Hierfür schlossen sich die Kommandanten der Feuerwehren Tann, Kirchdorf a. Inn und Simbach a. Inn zusammen und entwickelten ein einheitliches Funkrufnamenkonzept. Gemeinsam mit den Atemschutzausbildungsstellen der Feuerwehren Eggenfelden und Pfarrkirchen konnte schließlich auch eine Einigung für die künftige Benennung der Atemschutztrupps gefunden werden.
Langfristige Konsequenzen
Der Besuch eines Brandsimulationscontainers soll künftig in die Regelausbildung aufgenommen werden. Diese Entscheidung wurde jedoch bereits vor dem beschriebenen Atemschutzzwischenfall gefällt.
Es ist geplant das Sicherheitstruppkonzept nach Projektabschluss gemeinsam durch die Feuerwehren Eggenfelden, Pfarrkirchen und Simbach a. Inn umzusetzen und in die Regelausbildung für die Atemschutzgeräteträger des Landkreises Rottal-Inn zu übernehmen.
Die anfänglich fehlende Erkundungszeit des Einsatzleiters in den ersten Minuten hatte vermutlich ebenfalls wesentlichen Einfluss auf den teilweise gefährlichen Verlauf des Einsatzes. Daher soll in den kommenden Jahren ein Führungsfahrzeug (ELW 1) beschafft werden, um dem Zugführer den Zeitvorteil für Erkundungen vor Eintreffen des Erstangriffsfahrzeuges zu geben. Die Praxis bei diesem und vielen anderen Einsätzen hat gezeigt, dass der Zugführer auf dem Erstangriffsfahrzeug nicht optimal ist.
Fazit
Auch wenn ein Totalverlust der Wohnung nicht abwendbar war, so hätte der Einsatzablauf weit sicherer für die Einsatzkräfte erfolgen müssen. Die vorgestellten kurz- und mittelfristigen Konsequenzen sind mittlerweile vollständig umgesetzt. Das ausgearbeitete Funkkonzept wurde im April 2009 allen Kommandanten und Führungskräften des Landkreises zur Einführung vorgestellt. In der nächsten Zeit wird zudem das neue Sicherheitstruppkonzept verabschiedet. Die Beantragung eines ELW 1 ist nach der Fertigstellung des neuen Feuerwehrgerätehauses vorgesehen.
Einen ausführlichen Bericht können Sie in der Fachzeitschrift 112-Magazin Heft 7/8 - 2009 auf den Seiten 42 bis 47 finden.
Sehen Sie sich das Video von der Einsatzstelle an.
Quelle
Markus Pilger Freiwillige Feuerwehr der Stadt Simbach a. Inn 1. Kommandant Münchner Str. 18 D-84359 Simbach a. Inn http://www.feuerwehr-simbach.de